20. Februar 2022 Thema: Kultur und Sport, Mein Blog Von Eric Eigendorf
Im vergangenen Jahr hat die geplante Schließung der Schorre Schlagzeilen gemacht und bei Jung wie Alt Emotionen geweckt. Ende Mai sollen sich die Tore des Clubs zum letzten Mal öffnen. Die SPD-Fraktion hat das Thema in diesem Monat erneut auf die Tagesordnung des Stadtrates gehoben. Dabei wird klar: Die Pläne sind unklar, Anträge für Abriss und Neubau hat der Investor aber noch nicht gestellt.
Die Schorre ist nicht nur ein Ort, den viele Hallenserinnen und Hallenser mit ganz privaten Geschichten und Erlebnissen verbinden. Die Geschichte der Schorre beginnt im Jahr 1864 unter dem Namen „Müllers Bellevue“. Im Jahr 1890 wurde die heutige Schorre Schauplatz eines politischen Ereignisses, das Strahlkraft weit über die halleschen Stadtgrenzen hinaus besaß. Nachdem sie zwölf Jahre lang aufgrund der Sozialistengesetze verboten war, traf sich die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) zu ihrem ersten Reichsparteitag in Halle und gab sich den Namen „Sozialdemokratische Partei Deutschlands“. Das Gebäude in der Willy-Brandt-Straße 78 ist damit dauerhaft mit der Geschichte der ältesten Partei unseres Landes verknüpft.
Nach diversen Umbaumaßnahmen und der Nutzung als Jugendclubhaus fand die Schorre in den frühen 1990ern noch einmal eine völlig neue Nutzung. Wo einst August Bebel sprach, traten nach dem Fall der Berliner Mauer nationale und internationale Bands auf. Einige von ihnen sind bis heute ein fester Teil der neueren Musikgeschichte. Denkwürdig waren vor allem die Auftritte der damals noch unbekannten US-amerikanischen Bands Nirvana und Green Day oder von Rammstein. Nachdem im vergangenen Oktober bekannt wurde, dass ein neuer Investor den Abriss plant, haben sich in einer Petition viele Hallenserinnen und Hallenser für den Erhalt ausgesprochen.
Auch vier Monate später ist indes unklar, wie die Zukunft der Schorre eigentlich aussieht. Als SPD-Fraktion haben wir daher bei der Stadtverwaltung nachgehakt. Die Antwort der Verwaltung ist ein beeindruckender Weise kurz angebunden, besteht bei keiner der insgesamt sieben Fragen aus mehr als zwei Sätzen, gibt aber trotzdem einen ersten Einblick in den aktuellen Stand.
Lange wurde spekuliert, was auf dem Grundstück entstehen soll. Die Verwaltung führt nun aus, dass der Investor ein „auf Wohnnutzung basierendes Nutzungskonzept“ vorgestellt hat. Darüber hat sich die Stadtverwaltung im vergangenen Monat mit dem Investor ausgetauscht. Über die Inhalte des Gespräches hüllt sich die Verwaltung allerdings in Schweigen, so dass über die genauen Inhalte nur spekuliert werden kann.
Einen kompletten Abriss des bisherigen Gebäudes wird es – so stellt es sich derzeit dar – aber nicht geben. Nach Aussage der Verwaltung plant der Investor „die Nutzung von Teilen der vorhandenen Gebäudesubstanz“. Dies wird wahrscheinlich hauptsächlich die Fassade des Gebäudes betreffen, die nach einer früheren Aussage der Stadtverwaltung denkmalschutzrechtlich zu erhalten ist. Ob darüber hinaus noch weitere Teile der Schorre erhalten werden können, wird allerdings nicht verraten.
Bis die ersten Bagger rollen, wird es aber vermutlich noch einige Zeit dauern. Die Verwaltung antwortet auf die Nachfrage der SPD-Fraktion, dass der Investor bisher weder Anträge für den Abriss noch den Neubau gestellt habe. Auch eine Bauvoranfrage, die in solchen Fällen als erster Schritt dient, liegt noch nicht vor.
Selbst wenn die Anträge vorliegen, wird der Stadtrat aber nicht die Möglichkeit haben, darüber abzustimmen und das Projekt doch noch zu stoppen. Auf eine entsprechende Frage antwortet die Stadtverwaltung, dass eine Befassung des Stadtrates mit dem Thema nicht vorgesehen ist. Der Grund dafür liegt in § 34 Baugesetzbuch. Demnach muss durch den Stadtrat kein Bebauungsplan beschlossen werden, wenn sich das Projekt nach Art, Maß, Bauweise und Nutzung in die sogenannte ortsübliche Bebauung einfügt. Dies – so viel ist klar – scheint hier der Fall zu sein.
Es ist unbestritten bemerkenswert, dass der Investor scheinbar bei der Stadt weder eine Bauvoranfrage noch einen Bauantrag eingereicht hat. Darüber hinaus wirft die Antwort der Verwaltung aber mehr neue Fragen auf, als sie Antworten gibt. Gerade die Frage, was dort entstehen soll, ist nach wie vor unbeantwortet. Gerade deswegen werden wir weiter an diesem Thema dran bleiben, weiter nachhaken und weiter über die Antworten informieren.
Gemeinsam mit dem FDP-Landtagsabgeordneten Konstantin Pott mache ich seit Februar 2022 den Podcast
„Perspektive: Politik“. Die aktuelle sowie die bisherigen Folgen gibt es hier:
Klicken, um den Inhalt von Podcast.de zu laden.
Inhalt Laden