08. März 2019 Thema: Finanzen und Verwaltung Von Eric Eigendorf
In den kommenden Wochen wird im Stadtrat von Halle ein Antrag der SPD-Fraktion diskutiert. In diesem fordert meine Fraktion, dass der Stadtrat sich dazu bekennt, dass im Rahmen des Abbaus der städtischen Schulden keine kommunalen Unternehmen verkauft werden. Wie es dazu kommt und warum ein Verkauf von kommunalen Unternehmen keine gute Idee ist, möchte ich hier erklären.
Im Jahr 1979 hielt der CSU-Politiker Franz-Josef Strauß im Bundestag eine historische Rede. In einer Beispielrechnung versuchte er anhand von Mark-Scheinen zu beweisen, dass der Schuldenberg der höchste Berg Deutschlands sei. Sollte die Rechnung damals wirklich korrekt gewesen sein, so dürften auch die aufeinander gestapelten Außenstände der Stadt Halle die höchste Erhebung im Umkreis darstellen. Diesem Berg soll es nun aber an den Kragen gehen. In den kommenden Jahren wird die Stadt – nicht ganz freiwillig – mehr als 200 Mio. Euro, die sich in den vergangenen Jahren angestaut haben, abbauen müssen.
Der Schuldenberg unserer Stadt ist in den vergangenen Jahrzehnten beharrlich gewachsen. Im Jahr 2016 erreichten die sogenannten Liquiditätskredite ihren Höchststand. Die Stadt stand damals mit etwa 360 Mio. € in der Kreide. Wie hoch die Kredite, die unsere Stadt pro Jahr aufnehmen kann, sein dürfen, legt das Landesverwaltungsamt fest. Ein Teil des Landesverwaltungsamtes ist die sogenannte Kommunalaufsicht. Sie genehmigt Jahr für Jahr den vom Stadtrat von Halle beschlossenen Haushalt und prüft dabei zum Beispiel, dass die Schulden nicht ins Unermessliche wachsen. Den Rahmen bildet dabei das Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt. Mit einer neuen Regelung, die im vergangenen Jahr in das Gesetz aufgenommen wurde, entsteht nun für die hallesche Kommunalpolitik ein dringender Handlungsbedarf.
Diese neue gesetzliche Regelung besagt, dass künftig die aufgenommenen Liquiditätskredite nicht mehr als ein Fünftel der Einzahlungen aus der laufenden Verwaltungstätigkeit betragen dürfen. Im Jahr 2019 betragen diese Einzahlungen etwa 717,3 Mio. €. Eine Kreditaufnahme wäre damit nur bis zu einer Höhe von 143,4 Mio. € zulässig. Tatsächlich wird unsere Stadt im kommenden Jahr aber Kredite von circa 350 Mio. €. aufnehmen. Wie diese Lücke von rund 207 Mio. € in den kommenden fünf Jahren abgebaut werden soll, muss die Stadt dem Landesverwaltungsamt nun bis September im Rahmen eines Konzeptes darstellen.
Kommunalpolitik kann viel Spaß machen. Was der Stadtrat von Halle nun im September 2019 tun muss, hat nicht viel mit Spaß zu tun. Im Mai wird bei der Kommunalwahl ein neuer Stadtrat gewählt. Dieser Stadtrat wird im Juli zum ersten Mal zusammentreten, die richtige Arbeit aber erst im August nach der politischen Sommerpause aufnehmen. Eine der ersten Entscheidungen des neuen Stadtrates wird damit die Abstimmung über die Frage, wo in den kommenden Jahren mehr als 200 Mio. Euro eingespart werden sollen. Die Verantwortung, die in den Händen des frisch gewählten Stadtrates liegt, ist immens. Schon wenige Monate nach der Wahl steht der neue Stadtrat, dem vermutlich mehr Fraktionen als heute angehören werden, vor einer ersten und riesigen Bewährungsprobe.
Ein einfacher Weg zum Abbau einer großen Summe von Altschulden ist der Verkauf kommunalen Eigentums. Über Grundstücke oder Unternehmensanteile lassen sich schnell große Summen einnehmen. Der Vorteil dieses Weges liegt auf der Hand. Ein schneller Abbau der Schulden sorgt dafür, dass im laufenden Haushalt, gerade im Bereich der Sozialpolitik, jahrelange Einschnitte vermieden werden könnten. Der Blick auf andere Städte zeigt, dass diese Überlegungen nicht völlig abwegig sind und von vielen Kommunen zumindest am Anfang als Weg zum Glück gesehen wurden. Städte wie Dresden sind diesen Weg bereits vor vielen Jahren gegangen. Gerade der Blick auf die sächsische Landeshauptstadt zeigt aber auch, dass dieser Weg später bereut wurde. Mittlerweile versucht Dresden die verkauften Wohnungen mühsam zurückzukaufen. Auch in vielen anderen Städten wird mit Wehmut auf solche Entscheidungen zurückgeschaut.
Grundstücke und kommunale Unternehmen sind keine Mittel, um sich schnell Geld zu verschaffen, sie sind das Tafelsilber der Stadt. Vor allem die kommunalen Unternehmen sind keine Prestigeobjekte, sondern wichtige Instrumente für die Stadtentwicklung. Allein der Blick auf die Stadtwerke und die städtischen Wohnungsunternehmen HWG und GWG zeigt stellvertretend für alle Unternehmen, welchen Einfluss unsere kommunalen Beteiligungen auf das städtische Leben haben. Sie versorgen die Stadt mit bezahlbarem Wohnraum, Strom, Wasser und Wärme, prägen durch Bauprojekte das Stadtbild und engagieren sich nicht zuletzt auch als Förderer von Jugend, Sport und Kultur in unserer Stadt.
Außerdem treten die städtischen Unternehmen auch als Ausbildungsbetriebe für junge Hallenserinnen und Hallenser und als Arbeitgeber in Erscheinung. Anteile oder ganze Unternehmen an private Investoren zu verkaufen, hieße die Kundinnen und Kunden, Mieterinnen und Mieter und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer alleine auf hohe See zu schicken. Natürlich würden die Einnahmen aus den Verkäufen den Schuldenberg der Stadt schnell schrumpfen lassen. Neue (Mit-)Eigentümer würden aber auch konkrete Renditen aus den Unternehmen erwarten. Viele Aufgaben der sozialen Sicherung und der Daseinsvorsorge, die die kommunalen Unternehmen derzeit wahrnehmen und aus ihren Gewinnen finanzieren, wären zumindest mit einem großen Fragezeichen versehen. Es ist deswegen wichtig, dass der Stadtrat gemeinsam mit der Verwaltung frühzeitig unmissverständlich klarstellt, dass die zukünftige Entwicklung der Stadt wichtiger ist als der kurzfristige Abbau der Schulden und daher ein Verkauf der kommunalen Unternehmen nicht in Erwägung gezogen wird.
Der Antrag der SPD-Fraktion wurde bereits in der Sitzung des Stadtrates vom 27. Februar erstmals diskutiert. Damals zeichnete sich bereits eine Mehrheit für eine Beschlussfassung ab. Auch der Oberbürgermeister hatte erklärt, der gleichen Meinung zu sein und nie den Verkauf kommunaler Unternehmen auch nur in Erwägung gezogen zu haben. Eine schnelle Beschlussfassung verhinderte er aber trotzdem, indem er den Antrag in den Finanz- und in den Hauptausschuss verwies. Dort will er am 19. und 20. März den Stadträten erklären, ob seine Amtsvorgänger vor 2012 solche Pläne hatten. Warum er das tut und was mehr als sieben Jahre alte Vorgänge mit dem aktuellen Problem zu tun haben, weiß er nur selbst.
Gerade die in den letzten Tagen bekannt gewordene Haushaltssperre des Oberbürgermeisters zeigt, dass die Probleme akuter sein müssen, als er es bisher dargestellt hat. Es ist daher umso wichtiger, über eine für die Zukunft der Stadt so entscheidende Frage schnell eine Abstimmung herbeizuführen. All diejenigen, die direkt oder indirekt mit den vielen kommunalen Unternehmen verbunden sind, haben Klarheit verdient.
Gemeinsam mit dem FDP-Landtagsabgeordneten Konstantin Pott mache ich seit Februar 2022 den Podcast
„Perspektive: Politik“. Die aktuelle sowie die bisherigen Folgen gibt es hier:
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