15. Mai 2022 Thema: Demokratie und Engagement Von Eric Eigendorf
Irgendwo in Ostdeutschland soll bis 2028 ein Zukunftszentrum zur Deutschen Einheit entstehen. Auch Halle geht in das Rennen um die Standortfrage. Für unsere Stadt kann das eine große Chance sein.
Unter dem Vorsitz von Matthias Platzeck, dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Brandenburg, hat die Bundesregierung bereits 2019 die Kommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ eingesetzt. Die Aufgabe der Kommission war es, den Stand des bisherigen Vereinigungsprozesses zu bewerten und Schritte auf dem weiteren Weg zur Einheit aufzuzeigen. Im Jahr 2020 hat die Kommission in diesem Zusammenhang ihren Abschlussbericht vorgelegt. Das Fazit ist klar und ernüchternd: Auf dem Weg zur Einheit liegt noch ein langer Weg vor uns. Ein Vorschlag ist daher die Einrichtung eines „Zukunftszentrums für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ in Ostdeutschland.
Bei der Namensgebung für dieses Zentrum hätte es ohne Zweifel noch Luft nach oben gegeben. Unter „Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ kann man sich nur schwer etwas konkretes vorstellen. Schaut man aber in das kürzlich von der Bundesregierung beschlossene Eckpunktepapier, wird das Bild schnell klarer. Wenn es fertig ist, soll das Zukunftszentrum so etwas wie eine eierlegende Wollmilchsau werden.
Herzstück des Zentrums soll ein wissenschaftliches Institut sein, dass exzellente empirische Forschung zu Transformation in Mittelosteuropa leistet. Verknüpft werden sollen dabei die historischen Entwicklungen und die Herausforderung von gesellschaftlichen Umbrüchen, die in der Zukunft vor uns liegen.
Den wissenschaftlichen Part soll der Kulturbereich ergänzen. In ihm sollen verschiedene Ausstellungen vergangene und aktuelle gesellschaftliche Umbrüche darstellen und erlebbar machen. Im Mittelpunkt soll dabei nicht nur die Wiedervereinigung stehen, sondern vielmehr auch Themen der Klimawandel, die Digitalisierung oder Künstliche Intelligenz.
Um das Zukunftszentrum zu beleben, soll es darüber hinaus auch ein Dialog- und Begegnungszentrum geben. In ihm sollen die Themen zu denen geforscht wird und die Themen, die in den Ausstellungen thematisiert werden, in Bürgerdialogen, wissenschaftlichen Konferenzen und Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche diskutiert werden.
Für die Errichtung des Zukunftszentrums wird die Bundesregierung mehr als 200 Mio. Euro zur Verfügung stellen. Aktuell rechnet sie mit etwa einer Millionen Besucher:innen jährlich. Das Zukunftszentrum würde damit auf einen Schlag zu einem der meistbesuchten kulturellen Einrichtungen unseres Landes aufsteigen.
Um die Suche nach einem geeigneten Standort leichter zu machen, hat die Bundesregierung bereits erste Anforderungen festgelegt. Bei den insgesamt dreizehn Kriterien kann unsere Stadt hinter jedem Punkt einen grünen Haken setzen.
Ein Kriterium ist beispielsweise, dass das Zentrum an seinem Standort mit bereits vorhandenen Einrichtungen kooperieren soll. Unsere Stadt besitzt mit der Nationalen Akademie der Wissenschaften, der Leopoldina, eine der weltweit ältesten Gelehrtengesellschaften. Auch die Martin-Luther-Universität muss sich in diesem Zusammenhang als möglicher Kooperationspartner nicht verstecken. Erst vor kurzem wurde dort vor dem Hintergrund des Strukturwandels das Institut für Strukturwandel und Nachhaltigkeit gegründet.
Weiterhin soll das neue Zukunftszentrum für nationale wie internationale Gäste gut erreichbar sein. Für diese Anforderung gibt es in Halle den perfekten Standort. Bereits seit vielen Jahren beschäftigt sich der Stadtrat intensiv mit der Frage, wie die vier großen Baufelder auf dem Riebeckplatz mit Leben gefüllt werden können. Als Standort für das Zukunftszentrum wäre das heute noch als Parkplatz genutzte nordöstliche Baufeld ideal geeignet. Das Zukunftszentrum stünde damit nicht nur aus Sicht des Autoverkehrs direkt an einem der zentralen Knotenpunkte der Stadt – es wäre nur einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt und auch der Flughafen wäre in weniger als zwanzig Minuten erreichbar.
Zuletzt hat die Bundesregierung auch klar als Ziel formuliert, dass das Zukunftszentrum bis 2028 seinen Betrieb aufnehmen soll. Derzeit findet gerade die Bewerbung von Frankfurt/ Oder in den Medien viel Beachtung. Schaut man hinter die Kulissen, dürfte dort aber schnell die Ernüchterung einsetzen. Derzeit gibt es für das dort als Standort geplante Grundstück noch kein Baurecht. Wer weiß, wie lange sich Planungsverfahren ziehen, der weiß auch, dass ein Zukunftszentrum in Frankfurt wohl nur durch ein Wunder rechtzeitig seine Pforten öffnen könnte. Für das geplante Baufeld in Halle besteht bereits ein Bebauungsplan. Bekommt unsere Stadt den Zuschlag, könnte der Bau schnell starten.
In seiner Mai-Sitzung wird der Stadtrat einen Grundsatzbeschluss für ein Zukunftszentrum in Halle fassen. Mit diesem Beschluss im Rücken kann die Stadtverwaltung um Bürgermeister Egbert Geier die bereits bestehenden Ideen gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft, Kultur und Zivilgesellschaft konkretisieren. Dann liegt der Ball im Spielfeld der Landespolitik. Da sich auch die Stadt Magdeburg als Standort bewerben will, müssen Landesregierung und Landtag entscheiden, welche der Bewerbungen sie unterstützen. Der Vorteil von Halle dabei: Es gibt bereits weitreichende Gespräche mit der Stadt Wittenberg. Das Ziel soll dabei eine gemeinsame Bewerbung sein. Ähnliches hat Magdeburg nicht vorzuweisen. Wir stehen also vor spannenden Wochen.
Gemeinsam mit dem FDP-Landtagsabgeordneten Konstantin Pott mache ich seit Februar 2022 den Podcast
„Perspektive: Politik“. Die aktuelle sowie die bisherigen Folgen gibt es hier:
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