Halles Innenstadt braucht neuen Rückenwind. Bereits seit vielen Jahren wird der Handel vor Ort durch Amazon, Zalando und Co. unter Druck gesetzt. Diese ohnehin schon schwierige Situation wurde durch die Corona-Pandemie noch einmal verstärkt. Die Pandemie und die daraus folgenden Schließungen haben das Kräfteverhältnis zwischen dem Handel vor Ort und dem Online-Handel weiter verschoben. Jetzt den Kopf in den Sand zu stecken, wäre aber nicht hilfreich. Stattdessen müssen wir unsere Innenstadt so weiterentwickeln, dass die Händlerinnen und Händler auch weiter eine Perspektive haben.
Innenstadt ist mehr als nur Einkaufen
Der Einkauf wird künftig seltener der Hauptgrund für einen Besuch in der Innenstadt sein. Zahlreiche Produkte gibt es heute im Internet billiger – und mit Lieferung direkt vor die Haustür. Wir haben aber die Chance, den Besuch in der Innenstadt zu einem Gesamterlebnis zu machen. Hinter dem Begriff „Aufenthaltsqualität“ verbirgt sich alles, was die Online-Handel nicht bieten kann – das Zusammenspiel von Handel, Gastronomie, Kultur und vielen möglichen Freizeitaktivitäten. Um dieses Zusammenspiel zu verbessern, brauchen wir zwei Voraussetzungen. Zum einen braucht es eine enge Vernetzung der Händlerinnen und Händler in der Innenstadt, um Wünsche und Ideen zu sammeln. Mit der Citygemeinschaft existiert bereits seit vielen Jahren eine Plattform, die diese Arbeit leistet.
Knackpunkt: Geld
Zum anderen braucht es das nötige Geld, um die Aufenthaltsqualität in Halles Innenstadt auch tatsächlich zu erhöhen. In Halle sind Finanzen seit jeher ein Knackpunkt. Der städtische Haushalt ist geprägt von hohen Schulden und wenigen Spielräumen. Umso größer sind die Chancen, die uns die Bundesebene nun bietet. Unter dem Titel „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ existiert bereits seit dem letzten Jahr ein Programm, das Städte und Gemeinden bei der Rettung ihres innerstädtischen Handels unterstützen soll. Bei der ersten Auflage umfasste das Programm allerdings lediglich ein Finanzvolumen in Höhe von 25 Millionen Euro. In diesem Monat wurde der Fördertopf allerdings noch einmal um 250 Millionen Euro aufgestockt.
Förderprogramm für den Handel in der Innenstadt
Dieses Förderprogramm unterstützt Kommunen nicht nur bei der Erarbeitung neuer Konzepte für die Innenstadt. Es bietet vielmehr auch praktische Hilfe, die wir auch in Halles Innenstadt gut gebrauchen können. Ein zentraler Punkt, den wir so mit Unterstützung des Bundes angehen könnten, ist die Bekämpfung des Leerstandes. Immer mehr Ladenlokale stehen in den vergangenen Jahren leer. Dieser Leerstand verringert die Angebotsvielfalt in der Innenstadt und wirkt sich negativ auf das Erscheinungsbild unserer Einkaufsstraßen aus. Das Förderprogramm unterstützt Kommunen nun dabei eben diese leerstehenden Ladenlokale vorübergehend anzumieten und wiederzubeleben. Dazu finanziert der Bund die reduzierte Weitervermietung an neue Nutzungen für eine Dauer von bis zu zwei Jahren. Durch die An- und Weitervermietung kann neuen, zukunftsfähigen Nutzungen wie Pop Up-Stores, Start Ups oder Kulturangeboten gerade in der Startphase geholfen werden.
Nicht immer gelingt es aber, eine An- und Weitervermietung mit den Eigentümern eines Hauses zu vereinbaren. Für diesen Fall werden die Kommunen auch beim Zwischenerwerb von Gebäuden in der Innenstadt unterstützt. Auf diesem Wege soll der Kauf bisher leerstehender Immobilien und deren Aufwertung vom Bund gefördert werden. Das Ziel ist, dass das dann wieder fit gemachte Gebäude an Unternehmen oder Initiativen vermietet wird, die Menschen in die Innenstadt locken.
Schönere Straße und Plätze
Das Programm zur Förderung der Innenstädte nimmt aber nicht nur den Handel in den Blick. Auch für die Gestaltung des öffentlichen Raumes gibt es finanzielle Unterstützung. Eine attraktive Innenstadt in der es Orte gibt, die zum Verweilen einladen, ist ein Vorteil, den kein Online-Händler bieten kann. Schon kleine Aufwertungen wie Sitzecken, Spielplätze oder Grünflächen können entscheidend zum Flair einer Innenstadt beitragen. Wir in Halle wissen spätestens seit der Wiese um das Händel-Denkmal, was schon kleine Maßnahmen ausmachen können. Für verschuldete Kommunen sind aber bereits solche vergleichsweise preiswerten Aufwertungen oft Mammutaufgaben. Diese Mammutaufgabe wird den Gemeinden mit dem Bundesprogramm zur Belebung der Innenstädte wesentlich erleichtert. Künftig wird es möglich sein, Verschönerung der Straßen und Plätze mit bis zu siebzig Prozent fördern zu lassen.
Was jetzt passieren muss
Mit der Nachnutzung leerstehender Ladenlokale und der Aufwertung des öffentlichen Raumes werden die Probleme in Halles Innenstadt nicht automatisch gelöst. Beide Maßnahmen sind aber Ansätze, die es wert sind, sie auszuprobieren. Gerade die Tatsache, dass der Bund alle Investitionen stark fördert, sollte uns die Entscheidung erleichtern, auch als Stadt Halle Projekte einzureichen. Die Frist für die Bewerbung endet am 17. September. Es ist daher wichtig, dass die Stadtverwaltung die kommenden Wochen nutzt, um gemeinsam mit den Händlerinnen und Händlern und der Citygemeinschaft Ideen zu entwickeln. Dann hat Halles Innenstadt gute Chancen, trotz der Konkurrenz durch den Online-Handel und die Folgen der Corona-Pandemie mit Rückenwind in die kommende Zeit zu starten.
