18. Oktober 2020 Thema: Umwelt und Verkehr Von Eric Eigendorf
Vor 23 Jahren, im Jahr 1997, hat der damalige Stadtrat eine Verkehrskonzeption für die hallesche Altstadt beschlossen. Seitdem ist viel passiert. Neben der Art, wie wir uns fortbewegen, haben sich auch die Rahmenbedingungen verändert. Das Schaffen von Freiräumen, der Klimaschutz und die Belebung der Innenstädte spielen heute noch eine größere Rolle als noch im letzten Jahrtausend.
Deswegen war es nur vernünftig, dass der Stadtrat im vergangenen Jahr erneut darüber diskutiert hat, wie wir es mit dem Verkehr innerhalb des Altstadtringes halten wollen. Im Ergebnis hat der Stadtrat vor fast einem Jahr der Verwaltung den Auftrag erteilt, ein Konzept für eine weitestgehend autoarme Altstadt zu erarbeiten. Die Marschrichtung ist dabei einfach: So viel Verkehr in unserer Altstadt wie nötig, so wenig Verkehr wie möglich, um neue Räume zu schaffen, die zum Verweilen einladen.
So einfach, wie dieses Ziel klingt, ist es allerdings bei Weitem nicht. In dieser Woche wurde das Konzept erstmals im Planungsausschuss beraten. Die kontroverse Diskussion hat dabei bereits vor der ersten Ausschussberatung begonnen. Besonders bemerkenswert war dabei, dass einige Stadträte schon verkündeten, dass sie die im Konzept vorgeschlagenen Maßnahmen ablehnen werden, weil es nicht umsetzbar sei – bevor das Konzept überhaupt veröffentlicht war. Zudem kursierten in der Presse und den sozialen Medien viele Informationen, die mit Blick auf die tatsächlichen Vorschläge der Verwaltung zumindest in Teilen falsch sind. Weder soll der gesamte Altstadtring eine Einbahnstraße werden, noch ist es geplant, dass die Zufahrten zu den Parkhäusern in der Altstadt gesperrt werden sollen. Aber was steht eigentlich wirklich im Konzept drin?
Ein echtes Konzept hat die Verwaltung nicht vorgelegt. Stattdessen umfasst die Vorlage dreizehn Einzelmaßnahmen, die dazu führen sollen, dass die Verkehrsführung rund um die Altstadt verbessert und der Verkehr in ihr verringert werden soll:
Fußgängerachse zwischen Hauptbahnhof und Moritzburg
Heute ist es bereits möglich vom Hauptbahnhof bis zum Marktplatz durch eine Fußgängerzone zu laufen. Diese Zone soll über die Große Klausstraße, die kleine Ulrichstraße und die Bergstraße bis zur Moritzburg verlängert werden.
mehr verkehrsberuhigte Bereiche
Unsere Altstadt ist auch heute noch durch die teils bis ins Mittelalter zurückgehenden Straßenverläufe geprägt. Das führt dazu, dass an manchen Stellen die Gehwege so schmal sind, dass Fußgängerinnen und Fußgänger bei „Gegenverkehr“ auf die Straße ausweichen müssen. An solchen Stellen sollen verkehrsberuhigte Bereiche eingerichtet werden – ausgenommen davon sollen allerdings die Zufahrtsstraßen zu den Parkhäusern bleiben.
Anpassung der Ampelschaltungen am Glauchaer Platz
Am Glauchaer Platz müssen Fußgängerinnen und Fußgänger wie auch Radfahrerinnen und Radfahrer teils mehrere Minuten auf Grünphase warten. Hier und an anderen ähnlichen Stellen sollen die Ampeltaktungen so angepasst werden, dass die Wartezeit für die Querung des Altstadtringes künftig nicht länger als 60 Sekunden bis maximal 80 Sekunden dauern soll.
Freigabe der Fußgängerzonen für den Radverkehr
Die Fußgängerzonen im Stadtgebiet sollen für den Radverkehr freigegeben werden.
zusätzliche Fahrradabstellanlagen
Wenn verstärkt verkehrsberuhigte Bereiche geschaffen werden, wird das auch dazu führen, dass Parkplätze wegfallen werden. Diese Flächen sollen wiederum genutzt werden, um mehr Abstellanlagen für Fahrräder zu schaffen.
Radverkehrsring schließen, Einbahnstraße zwischen Klausbrücke und Oper
Ein geschlossener Radwegring existiert bisher rund um die Altstadt noch nicht. Das soll sich ändern. Zwischen der Klausbrücke und der Oper sollen in einer einjährigen Testphase zwei Radstreifen eingerichtet werden. Der Autoverkehr soll in diesem Bereich dann mittels einer Einbahnstraße in Richtung Joliot-Curie-Platz geführt werden.
neue Verkehrsführung in Rathaus- und Mittelstraße
Um den Verkehr in der Altstadt besser und schneller zu lenken, soll die Rathausstraße zur Einbahnstraße werden. Zudem soll die bisherige Fahrtrichtung der Mittelstraße geändert werden. Darüber hinaus soll zwischen dem Waisenhausring und der Großen Brauhausstraße eine neue Straße entstehen.
Reduzierung der Parkmöglichkeiten auf öffentlichen Fahrbahnen im Altstadtring
Zunächst sollen Parkplätze in den Straßen reduziert werden, die besonders durch Handel und Gastronomie geprägt sind. Die verbleibenden Stellplätze sollen dem Bewohnerparken vorbehalten bleiben. Im Gegenzug ist geplant, die Kapazitäten für parkende Autos durch ein neues Parkhaus an der Oper und eine Quartiersgarage an der Brunoswarte zu erhöhen.
Zu dieser Regelung soll es aber auch Ausnahmen geben. Für das Carsharing, Beförderungs -und Handwerksunternehmen, Schwerbehinderte und Händlerinnen und Händler soll das Parken weiter möglich sein. Ebenso soll auch das Be- und Entladen erlaubt bleiben.
mehr Carsharing-Standorte im Altstadtring
Die Möglichkeiten für Carsharing sollen innerhalb des Altstadtringes verbessert werden. Wo genau wie viele Standort entstehen soll, soll mit den Anbietern geklärt werden.
moderner Lieferverkehr
In Abstimmung mit den Gewerbetreibenden in der Altstadt soll geprüft werden, wie der Lieferverkehr neu und emissionsarmer geregelt werden kann. Eine Idee ist dabei unter anderem die Einrichtung von Paket-Depots, von denen aus die Lieferungen zum Beispiel mit Lastenfahrrädern an die Geschäfte ausgeliefert werden könnten.
Anpassung der Stellplatzsatzung
Die Stellplatzsatzung regelt in Halle, wie viele Stellplätze für Autos bei Bauvorhaben geschaffen werden müssen. Die Satzung soll nun so angepasst werden, dass innovative Mobilitätskonzepte (stark rabattierte ÖPNV-Tickets für Gebäudenutzer, Pedelecs o.ä.) stärker berücksichtigt werden.
Ausbau der Park&Ride-Angebote
Schon heute werden die Park&Ride-Parkplätze am Rand der Stadt stark genutzt. Sollte die Nachfrage weiter zunehmen, sollen auch innerhalb des Stadtgebietes mehr solcher Parkplätze in Nähe von Bahnhaltestellen geschaffen werden.
Von einem „runden“ Konzept sind die Vorschläge der Verwaltung noch weit entfernt – das zeigen auch die ersten Stellungnahmen der City-Gemeinschaft sowie der Industrie- und Handels- und der Handwerkskammer aber auch Briefe an Anwohnerinnen und Anwohnern. Diese Meinungen dürfen nicht ignoriert werden. Aus diesem Grund hat die SPD-Fraktion in die Debatte bereits einen ersten Änderungsantrag eingebracht, der ebendiese Bedenken und Kritikpunkte aufgreift. Unsere ersten Änderungsvorschläge umfassen dabei die folgenden Punkte:
Ersatz schaffen, bevor Parkplätze wegfallen
In reinen Zahlen betrachtet sollen etwa 500 Parkplätze wegfallen. Für diese Stellplätze soll unter anderem in neu zu erbauenden Parkhäusern Ersatz geschaffen werden. Hier wollen wir mehr Klarheit. Es muss erst der Ersatz geschaffen werden, bevor die Parkplätze im Straßenraum wegfallen.
Deswegen müssen mindestens die Parkhäuser an Brunos Warte und dem Opernhaus in Betrieb sein, bevor es zu den ersten Streichungen kommen kann.
mehr Rücksicht auf Gewerbetreibende und Handwerker
Ein Ziel des Konzeptes ist die Belebung der Innenstadt. Zur Belebung der Innenstadt gehören aber neben neuen und attraktiv gestalteten Freiräumen auch eine lebendige Handels- und Gewerbelandschaft. Ein Konzept, das neue Orte schafft, die zum Verweilen einladen, aber den Händlerinnen und Händlern das Leben schwer macht, wird nicht funktionieren. Deswegen müssen in dem Konzept die Interessen der Unternehmerinnen und Unternehmer wie auch ihrer Kundschaft stärker beachtet werden.
mehr Beteiligung bei der Umgestaltung der Straßen
Dort, wo die Straßen in der Altstadt verkehrsberuhigt werden sollen, will die Stadtverwaltung auch die Straßen umgestalten. Viele Straßen, die davon betroffen sind, liegen zentral und haben Tag für Tag viel Publikumsverkehr. Solche Umgestaltungen müssen deswegen auch im Planungsausschuss diskutiert werden.
Überarbeitung des Verkehrsleitsystems
Die Idee das Altstadtringes als Einbahnstraße wird bereits in vielen Fällen erfolgreich umgesetzt. Eins eint diese Beispiele aber: Mit der neuen Verkehrsführung des Ringes um die Altstadt wurde auch das komplette Verkehrsleitsystem überarbeitet. Wenn der Versuch, den Halle nun unternehmen will, erfolgreich sein soll, dann muss auch das Verkehrsleitsystem ab dem Ortseingang überarbeitet werden. Das Verkehrsleitsystem muss Autofahrerinnen und Autofahrer schon früh auf dem kürzesten Weg zu den schon bestehenden und noch zu bauenden Parkhäusern führen. Außerdem muss das Verkehrsleitsystem sicherstellen, dass gerade Ortsunkundige so geleitet werden, dass sie im Zweifel nicht einmal um den gesamten Altstadtring an ihr Ziel fahren müssen, um ihr Ziel zu erreichen.
kein Radverkehr in der Fußgängerzone
Wer die Qualität unserer Fußgängerzone erhöhen will, darf sie nicht gleichzeitig für den Radverkehr freigeben. Wir wollen daher die geplante Freigabe der Leipziger Straße für den Radverkehr wieder streichen.
Ob das Konzept der autoarmen Innentstadt ein Fortschritt werden wird, wird vor allem daran liegen, wie die Stadtverwaltung die noch offenen Fragen klärt. Außerdem wird es entscheidend sein, bei einer so weitgehenden Änderung des status quo auch die Unterstützung vieler betroffener Gruppen zu erhalten.
Im November wird der Planungsausschuss das Konzept voraussichtlich abschließend beraten.
Gemeinsam mit dem FDP-Landtagsabgeordneten Konstantin Pott mache ich seit Februar 2022 den Podcast
„Perspektive: Politik“. Die aktuelle sowie die bisherigen Folgen gibt es hier:
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