15. Januar 2018 Thema: Bundespolitik Von Eric Eigendorf
Die Diskussionen über die Beteiligung der SPD an einer erneuten Großen Koalition mit CDU und CSU ist ein eindeutiges Lebenszeichen einer Partei, die noch im September 2017 mit 20,5 % das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren hat. War die SPD am Tag der Bundestagswahl zumindest um 18.00 Uhr bei Erscheinen der ersten Prognosen kurzzeitig klinisch tot, so zeigt die aktuelle Lage, dass die Mitglieder die Partei noch keineswegs aufgegeben haben. Die Ernsthaftigkeit mit der die Debatte über die Fortsetzung der Großen Koalition geführt wird, ist aber auch ein Indiz dafür, dass sowohl Befürworter als auch Gegner einer Regierungsbeteiligung wissen, wie sehr von ihrer Entscheidung abhängt, wie sich der Gesundheitszustand der SPD in den nächsten vier Jahren entwickelt. Beide Lager sind der festen Überzeugung, dass die Zukunft der SPD in großer Gefahr ist, wenn das jeweils andere Lager am Ende die Mehrheit erreicht. Ein Kompromiss ist bei so gegensätzlichen Positionen nicht in Sicht. Ein bisschen mitregieren geht nicht, der Vorschlag einer sogenannten „Kooperationskoalition“ war genauso schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war. Sowohl für eine erneute Große Koalition als auch für eine Verweigerung der Regierungsbeteiligung gibt es starke und nachvollziehbare Argumente. Es hilft also nur: Nachdenken, abwägen und sich entscheiden.
GroKo-Entscheidung auf dem Parteitag der SPD Sachsen-Anhalt
Der Parteitag der SPD Sachsen-Anhalt am vergangenen Wochenende hat die erste Gelegenheit geboten, um eine Entscheidung zu treffen. In einem Initiativantrag forderten verschiedene Arbeitsgemeinschaften um die Jusos ein Bekenntnis gegen die Große Koalition unter Angela Merkel. Die gesamte Dramaturgie des Parteitags schien sich unfreiwillig auf diese Entscheidung zuzuspitzen. Der erste Tag war geprägt von der Landespolitik. Doch auch diese Themen boten zumindest indirekt viel Gelegenheit, um sich über die Art und Weise des Regierens mit der CDU auseinanderzusetzen. Der zweite Tag stand hingegen voll im Zeichen der Bundespolitik. Grußworte von Außenminister Sigmar Gabriel und Kevin Kühnert, Vorsitzender der Bundes-Jusos, flankierten die Entscheidung der SPD Sachsen-Anhalt über die Beteiligung an einer Großen Koalition auf Bundesebene. Selbst die Vorstandswahlen, in den vergangenen Jahren immer wieder mit Spannung erwarteter Höhepunkt eines Parteitages, verliefen vergleichsweise ruhig und mit eindeutigen Ergebnissen. Der Fokus lag in diesem Jahr woanders.
Ja? Nein? Enthaltung? Eine schwere Entscheidung!
Ich selbst habe mir die Entscheidung auf dem Parteitag nicht leicht gemacht. Bis kurz vor der entscheidenden Abstimmung war ich mir nicht sicher, wo ich meinen Arm heben würde. Kurz habe ich auch darüber nachgedacht, mich der schweren Entscheidung durch eine Enthaltung zu entziehen. Wenn man sich aber enthält, wenn es wichtig wird, dann muss man sich nicht zum Delegierten wählen lassen und auch nicht auf einen Parteitag fahren. Also blieb mir nur das Abwägen. Erleichtert wurde das zumindest durch die Tatsache, dass am Tag zuvor mit den Ergebnissen der Sondierungen endlich konkrete Inhalte vorlagen. Die Diskussion konnte nun anhand von Themen und nicht anhand von politiktheoretischen Überlegungen geführt werden.
Viele Fortschritte, wenig Lust auf Neuwahlen
Das stärkste Argument für eine Große Koalition war mit Blick auf die Sondierungsergebnisse der Verweis auf die Fortschritte in Bildungs-, Europa- und Sozialpolitik. Die Ergebnisse in den Bereichen können sich durchaus sehen lassen. Wie sollte sichergestellt werden, dass diese Verbesserungen auch tatsächlich kämen, wenn die SPD sich nun einer Regierungsbeteiligung verweigere? Außerdem führen die Unterstützer eines neuen Bündnisses mit den Unionsparteien an, dass man nun erst einmal das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen abwarten solle statt auf dem halben Weg kehrt zu machen. Das letzte Wort hätten dann ohnehin die Mitglieder in einem Mitgliederentscheid. Zudem wurde berechtigterweise angeführt, dass es mit der Ablehnung der Großen Koalition allein nicht getan sei. Wer den gemeinsamen Weg mit CDU und CSU ablehne, der müsse auch aufzeigen, in welche Richtung es dann weitergehen solle. Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen – gerade, weil die Tatsache, dass Neuwahlen die schlechteste aller Optionen sind, einer der wenigen Punkte ist, in denen sich eine übergroße Mehrheit einig ist. Zumindest die Unlust auf Neuwahlen eint in dieser Frage die Partei.
Nochmal GroKo? Eine Frage des Vertrauens – und der Prinzipien
Die Tatsache, dass das Ergebnispapier der Sondierungsgespräche Punkte enthält, die die SPD als Erfolg verbuchen kann, stellen auch die Gegner der Großen Koalition nicht in Frage. Auf dem Landesparteitag der SPD in Wernigerode wurde am Ergebnis aber trotzdem Kritik geäußert. Diese Kritik konzentrierte sich im Wesentlichen auf zwei Kernpunkte. Zum einen würde sich unter den durchgesetzten Punkten nicht ein Kernthema aus dem Bundestagswahlkampf wiederfinden. Zwar sei mit einem Wahlergebnis von 20,5 % nicht alles umsetzbar, angesichts der Rolle als Notanker der CDU und CSU und weil die SPD immerhin etwas weniger als 40 % der Mandate in einer Große Koalition einbringen würde, habe sich die SPD aber unter Wert verkauft. Zum anderen wurden Zweifel daran geäußert, dass die wenigen von der SPD eingebrachten Punkte auch tatsächlich zur Umsetzung kommen würden. Zu tief sitzt aus der letzten Wahlperiode noch das Misstrauen gegen den Regierungsstil von Angela Merkel. Gerade die negativen Erfahrungen aus der gescheiterten Umsetzung von vereinbarten Projekten aus dem letzten Koalitionsvertrag mit CDU und CSU machen es in der Mitgliedschaft der SPD derzeit vielen schwer, sich mit den Ergebnissen aus Sondierungen locken zu lassen. Gerade bei meinem Ortsverein in Halle-Neustadt ist das ein häufig wiederkehrendes Argument. Ich kann das Gefühl gut verstehen.
Selbstzufriedenheit, Nachverhandeln und ein knappes „Nein“
Ausschlaggebend war für mich am Ende jedoch ein anderer Aspekt. Ich habe keinen Zweifel daran, dass der Bundesparteitag am 21.01. in Bonn am Ende für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen stimmen wird – allein schon, um die Chance von Nachverhandlungen nicht tatenlos verstreichen zu lassen. Das ist vernünftig. Mich hat aber verwundert, wie die Mitglieder des Sondierungsteams die kleinen Errungenschaften aus den ersten Sondierungsgesprächen nach außen verkauft haben. Schlechtreden muss man diese Ergebnisse nicht, aber es gibt noch einige Punkte, an denen in den Koalitionsverhandlungen nachjustiert werden muss. Die Selbstzufriedenheit, mit denen die ersten Einigungen schon als großer Wurf verkauft wurden, hat mich zweifeln lassen, ob unter den Verhandelnden der Wille zur Nachjustierung überhaupt vorhanden ist. Ich habe am Ende wie die Mehrheit gegen die Fortführung einer Großen Koalition gestimmt. Das Ergebnis war mit 51 Ja- zu 50 Nein-Stimmen dabei denkbar knapp. Mir ist klar, dass der Landesverband Sachsen-Anhalt in der Bundes-SPD eine Bedeutung besitzt, die aufgrund seiner Größe irgendwo knapp über der Wahrnehmungsgrenze liegt und das Votum vom Wochenende die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen nicht kippen wird. Ich erhoffe mir aber, dass durch das Ergebnis bei den Verhandelnden für die Koalitionsgespräche zumindest ankommt, dass das Kind noch nicht in trockenen Tüchern ist und statt Selbstzufriedenheit engagiertes Nachverhandeln notwendig ist, wenn die Mitgliedschaft der SPD am Ende grünes Licht für die Fortsetzung der Großen Koalition geben soll. Die Knappheit der Abstimmung zeigt auch, wie undurchsichtig derzeit die Mehrheitsverhältnisse in der Frage sind. Die ersten Presseberichterstattung zum Wochenende und am Wochenanfang zeigen, dass die Entscheidung der SPD Sachsen-Anhalt in Politik und Medien bundesweit thematisiert wird. Ich hoffe, dass sie am Ende auch als Mahnung zum engagierten Nachverhandeln von den Verantwortlichen berücksichtigt wird. Eine endgültige Entscheidung über die Fortsetzung der Großen Koalition wird sich erst treffen lassen, wenn der fertige Koalitionsvertrag vorliegt. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.
Gemeinsam mit dem FDP-Landtagsabgeordneten Konstantin Pott mache ich seit Februar 2022 den Podcast
„Perspektive: Politik“. Die aktuelle sowie die bisherigen Folgen gibt es hier:
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